Die Kaiserjubiläumsorgel (1910)
der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus in Bad Ischl (Oberösterreich)

 

Wie aus einer Rechnung des Jahres 1701 hervorgeht, besaß die Kirche von Ischl schon zur damaligen Zeit eine Orgel, deren Reparatur von der Hofkammer in Wien bewilligt wurde.

Im Jahre 1722 baute man ein neues Instrument, das vom hochfürstlichen Hoforgelmacher zu Salzburg, Johann Christoph Egedacher, noch in der alten gotischen Kirche aufgestellt und möglicherweise später in die 1780 geweihte neue Kirche übertragen wurde.

Über die nachfolgende Orgel sind wir durch zahlreiche, im Pfarrarchiv befindliche Dokumente ausgezeichnet unterrichtet. Es handelte sich um ein Instrument mit siebzehn Registern auf zwei Manualen und Pedal, das Simon Anton Hötzel aus Steyr-Garsten im Jahre 1825 baute.

1848 wurde Ischl zur kaiserlichen Sommerresidenz und seine Nikolauskirche zur Hofpfarrkirche erhoben. Zu festlichen Anlässen des Kaiserhauses spielte Anton Bruckner wiederholt die Ischler Orgel, doch kam er auch
sonst des öfteren in diese Stadt, um einen Freund zu besuchen. Zum Geburtstag des Kaisers am 18. August 1864 komponierte er die Messe in d-Moll (Ischler Messe), die jedoch nicht rechtzeitig vollendet wurde und ihre Uraufführung erst am Cäcilientag im Linzer Dom erleben sollte. Bruckner spielte aber zum Geburtstagsfest die Hötzel-Orgel, die er als leidend und ohne ausreichenden Spielraum bezeichnete. 1868 versuchte der Linzer Orgelbauer Anton Hanel einige Unzulänglichkeiten des Instruments zu verbessern.

Unter Pfarrer Franz Weinmayr, der seit 1870 in Ischl wirkte, konnte der bis dahin etwas nüchtern gestaltete Kirchenraum durch großzügige Spenden des Adels und Hochadels im Geschmack der Zeit mit neuen Altären sowie Wand- und Deckenfresken ausgestattet werden. Zum Abschluß der Arbeiten erhielt das Gotteshaus bis 1888 auch eine neue Orgel, die von Matthäus Mauracher aus Salzburg gefertigt wurde. Dieses Instrument mit dreiunddreißig Registern auf drei Manualen und Pedal war das erste der Monarchie, das eine röhrenpneumatische Traktur erhielt (II. und III. Manual röhrenpneumatisch, I. Manual mit Barkermechanik, Pedal mit einfacher Abstraktur) und somit großes Aufsehen verursachte. Auch auf dieser Orgel spielte wiederholt Anton Bruckner.

Noch unter Prälat Weinmayr sollte die Orgel zum 80. Geburtstag von Kaiser Franz Josef I. wiederum von Matthäus Mauracher vergrössert und verbessert werden. Das Gehäuse von 1888 wurde wiederverwendet, jedoch nach vorne erweitert und hinter dem neuen Prospekt eines Kronpositivs mit einem Schwellwerk versehen. Die Orgel besaß nach ihrer Vollendung insgesamt fünfundsechzig klingende Register auf drei Manualen und Pedal und war somit eine der größten der Donaumonarchie. Die Traktur war nun rein röhrenpneumatisch bzw. das Schwellwerk alternativ auch elektropneumatisch (!) zu spielen.

Eine Rarität war damals das neu installierte und vom dritten Manual elektropneumatisch spielbare Fernwerk, das erstmals in der Monarchie gebaut wurde. Sein Pfeifenwerk, in der Mitte der Kirche am Dachboden aufgestellt, war durch einen zwölf Meter langen Schallkanal von einem Meter Durchmesser mit einer Lüftungsrosette im vorderen Drittel des Kirchenschiffs verbunden. Leider blieb dieses Teilwerk nicht erhalten.

Das an Kaisers Geburtstag am 18. August 1910 erstmals gespielte und deshalb Kaiserjubiläumsorgel benannte Instrument blieb weitgehend erhalten. Nach dem Untergang der Monarchie wurde die Aufschrift »Gott erhalte unser' n Kaiser« entfernt und nun nur mehr von der großen Mauracherin gesprochen.

Im Lauf der Jahre verschlechterte sich der Zustand der Orgel, die auch eine Dispositionsaufhellung vor allem durch Erneuerung der Mixturen im ersten und zweiten Manual hinnehmen mußte. 1985 bildete sich ein Komitee, um über die Frage einer Reparatur, einer Restaurierung oder den Bau einer neuen Orgel zu entscheiden. Nach dem Beschluß zur Erhaltung des bestehenden Instruments wurde schließlich ein Restaurierungskonzept für eine größtmögliche Wahrung der historischen Substanz im Zusammenhang mit einer grundlegenden technischen Sanierung ausgearbeitet.

Mit der umfassenden Erweiterung der Orgel 1908 bis 1910 war das Gehäuse viel zu eng geworden, was eine allgemein schlechte Zugänglichkeit der Pfeifen, Windladen und Relais zur Folge hatte. Ziel der Restaurierung war deshalb eine sinnvolle Neukonzeption des Orgelinneren, da sonst keine Funktionssicherheit hätte gewährleistet werden können. Das bis dahin in den Orgelfüßen befindliche Gebläse wurde außerhalb des Gehäuses unter das Podium verlegt und an seiner Stelle das zweite Manual plaziert, das durch ausgeschnittene und mit Pfaffengittern versehene Füllungen in den Kirchenraum spricht. Die Umgruppierung ermöglicht nun problemlos alle notwendigen Wartungsarbeiten. Neu ist auch die Traktur, die auf Elektropneumatik umgestellt wurde, was eine präzisere Ansprache sowie eine bessere Zugänglichkeit des Spieltisches und der Relais ermöglichte. Die Anschlüsse für die Rekonstruktion des Fernwerks wurden für eine spätere Vervollständigung vorbereitet. Die Eingriffe in die ursprüngliche Disposition wurden mit Ausnahme der Mixturen rückgängig gemacht und die Windladen sowie Pfeifen instandgesetzt, wobei die Intonation unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Wahrung des originalen Klangbildes erfolgte. Der Spieltisch blieb in all seinen Funktionen erhalten, zusätzlich wurde eine elektronische Registratur installiert, die je zwölf Kombinationen auf sechzehn Ebenen zu speichern erlaubt. Die Arbeiten wurden von der Firma Rieger-Orgelbau aus Schwarzach/Vorarlberg ausgeführt.

Stellt man sich die Frage nach der stilistischen Zuordnung des Instruments, fällt sowohl in zeitlicher als auch in ideeller Hinsicht die Nähe zur großen Orgel des Wiener Konzerthauses (Rieger/Jägerndorf, 1913) auf, da beide Orgeln neben dem Fernwerk zahlreiche Charakterstimmen (Flöten, Streicher, Solozungen), eine auffällig hohe und komplette Aliquotenzusammenstellung und vollständige Principalpyramiden besitzen. Es sind dies Einflüsse der Elsässischen Orgelreform, deren Begründer Emile Rupp und Albert Schweitzer waren. Die Ischler Orgel ist ein Klangdenkmal ersten Ranges, das sowohl optisch als auch akustisch eine vollkommene Einheit mit dem Innenraum der Stadtpfarrkirche bildet.

© Klaus Sonnleitner (gekürzte Fassung des Booklet-Textes)