Die Orgel der Kathedrale zu Esztergom (Ungarn)


 

Esztergom

 

»Ludwig Mooser in Salzburg« steht auf dem messingumfassten Porzellanschild vom originalen Spieltisch der Orgel in der Kathedrale zu Esztergom, die als eine der größten der etwa einhundertachtzig Instrumente ihres Erbauers galt. Ludwig Mooser (1807-1881) stammte aus einer Orgelbauerfamilie, die über Joseph Aloys (1770-1839) und Peter Anton (1773-1823) bis zu Großvater Joseph Anton (1731-1792) zurück reichte und auch mit Johann Andreas Silbermann in Verbindung stand. Er hatte seine Werkstatt in Salzburg, ließ sich jedoch später am 2. Dezember 1863 in der ungarischen Stadt Eger (Erlau) nieder, wo er zum Ehrenbürger ernannt wurde und seinen Namen auf ungarische Weise in »Mooser Layos« abänderte.

Mooser traf am 19. September 1854 mit acht Gesellen in Esztergom ein, um hier einen Tag später per Schiff die in Salzburg vorgefertigten Teile der neuen Kathedralorgel in Empfang zu nehmen. Die in Wien publizierte Zeitung »S1ovenske Noviny« berichtete sogleich über die Montage des Instruments, das 49 Register auf drei Manualen und Pedal mit 3530 Pfeifen erhalten und bis zur Weihe der Kathedrale am 31. August 1856 fertiggestellt sein sollte.

In Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph dirigierte Franz Liszt zur festlichen Kirchen- und zugleich Orgelweihe seine von Erzbischof Scitovszky in Auftrag gegebene »Missa Solennis« [Graner Messe] für Soli, Chor und großes Orchester, deren Orgelpart von Alexander Winterberger ausgeführt wurde. Liszt war übrigens mit den Werken Moosers vertraut: Im August 1856 überprüfte er noch vor ihrer Vollendung die neue Orgel der Kathedrale zu Esztergom (deren drittes Manual mit Kegelladen versehen und erstmals in Ungarn in einen Schwellkasten gestellt war), kurze Zeit später, am 6. September, spielte er auf der zwei Jahre zuvor erbauten Mooser-Orgel im ungarischen F6t, die von ihm sehr gelobt wurde.

In Esztergom zeigte die eilig zur Weihe fertiggestellte Orgel bald Ermüdungserscheinungen. Bereits am 2. März 1857 erstellte der Regens Chori Käroly Seyler (Verfasser einer Gelegenheitskomposition, mit der Liszts Gegner dessen Messe Solennelle außer Gefecht setzen wollten) eine Liste auftretender Mängel (u.a. eine extrem schwergängige mechanische Traktur und durch zu knapp bemessene Windladen verursachte Windprobleme).

Bis auf die im Ersten Weltkrieg requirierten Prospektpfeifen (die in den zwanziger Jahren von der Firma Joseph Angster durch Zinkpfeifen ersetzt wurden) blieb die Mooser-Orgel bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in ihrem Originalzustand erhalten. In den Kriegswirren wurden ein Teil des Gehäuses und die Traktur in Mitleidenschaft gezogen, über das Ausmaß weiterer Beschädigungen herrscht bis heute Unklarheit, da Otto Rieger aus Budapest 1947 einen schwerwiegenden Eingriff in die erhaltene Substanz vornahm. Unter Wiederverwendung alten Pfeifenwerks (umintoniert, abgeschnitten oder eingeschmolzen) stellte er im linken Flügel des Mooser-Gehäuses auf Kegelladen eine kleine pneumatische Interimsorgel auf (die ihren provisorischen Dienst bis 1980 versehen sollte). Bei diesem Umbau wurde der alte Spieltisch verbrannt (!), während nicht übernommene Register in völlig verwahrlostem Zustand im restlichen Gehäuse verblieben oder spurlos verschwanden.

Ende der siebziger Jahre begannen Gyula Vägi und Jänos Farkas (Orgelbau Kathedrale Esztergom) mit den Arbeiten für ein neues fünfmanualiges Instrument, für das die erhaltenen und sorgfältig restaurierten Teile der Mooser-Orgel (fünfzehn Register und vier Schleifladen) als Fundament dienen sollten. Die Umstände, die die Ausführung dieses Projekts seither beeinflußt haben, wären eine eigene Analyse wert, doch sei im gegebenen Rahmen nur erwähnt, dass zum Zeitpunkt der vorliegenden Einspielungen von den geplanten 147 Registern 38 Stimmen auf zwei Manualen und Pedal mit Schleifladen und elektrischer Traktur vollendet waren.

© András Mezö (Auszug aus dem CD-Booklet)

 

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Fotos: © Günter Lade (2), András Mezö (1,3-4)

 

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