Die
Wiener Augustinerkirche, 1349 geweiht und in späterer Zeit
mehrmals erweitert, wurde 1634 von Ferdinand II. zur Hofpfarrkirche
und somit zum geistlichen Zentrum der habsburgischen Geschichte
erhoben. Durch drei Jahrhunderte fanden hier die Taufen, Hochzeiten,
Aufbahrungen sowie Totenmessen der Kaiser und ihrer Familien statt
(deren Herzen noch heute in einer Seitenkapelle aufbewahrt werden)
und es verwundert deshalb nicht, daß St. Augustin als eine
der traditionsreichsten Kirchen Wiens zu allen Zeiten auch eine
herausragende Stätte der Orgel- und Musikpflege war.
1583
baute Caspar Sturm aus Ulm die erste nachweisbare Orgel, zu der
sich 1691 ein weiteres Instrument des Wiener Meisters Ulrich Römer
gesellte. In der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in der Augustinerkirche
vier Orgeln, die auf Seitenemporen sowie im Chorraum installiert
waren.
1784
ließ Joseph II. durch den Architekten Ferdinand Hohenberg
von Hetzendorf allen in der Barockzeit angehäuften Überfluß
der Innenausstattung entfernen und die Kirche in schlichter Sachlichkeit
regotisieren. In diesem Jahr entstand auch die bis heute erhaltene
Westempore, für die die Orgel (II/P/24) der Schwarzspanierkirche
des aufgehobenen Wiener Benediktinerklosters Maria von Monte Serrato
erworben werden konnte. Das ursprünglich um 1730 von Johann
Hencke erbaute Instrument wurde vermutlich durch Johann Wimola
übertragen, der die beiden Gehäuseflügel zu einem
einteiligen Prospekt verband, mit neugotischen Stilelementen versah
und anstelle der ursprünglich resedagrünen Farbe weiß
fassen ließ. Das alte Rückpositiv kam dabei nicht in
der Brüstung, sondern auf der Empore vor dem freistehenden
Spieltisch zu stehen.
1820
nahm Jacob Deutschmann einen Umbau der Hencke-Orgel vor, die knapp
einhundert Jahre später im Ersten Weltkrieg ihrer Prospektpfeifen
beraubt und 1945 bei Luftangriffen schwer in Mitleidenschaft gezogen
wurde. 1953 lagerte man den Spieltisch, die alten Windladen sowie
alle Reste des Pfeifenwerks ein und stellte auf der Westempore
eine 1956 aus Privatbesitz erworbene Hausorgel (II/P/14) mit elektropneumatischer
Traktur auf, die nun zum Gottesdienst erklang. Im Jahre 1974 erfolgte
schließlich die Wiederherstellung und geringfügige
Erweiterung des wertvollen historischen Prospekts, der seit 1976
eine Orgel der Firma Rieger aus Schwarzach in Vorarlberg beherbergt.
Eine Trakturführung in alter Manier sowie zwei Solowerke
im Orgelfuß zählen zu den wichtigsten Besonderheiten
des neuen Instruments, das über 47 Register auf vier Manualen
und Pedal bei gleichschwebender Stimmung verfügt.
Neben
der Hauptorgel auf der Westempore befindet sich im vorderen nördlichen
Seitenschiff ein zweites Instrument, das zum Bachjahr 1985 im
Auftrag der Wiener Festwochen von den Gebrüdern Reil aus
Heerde in Holland errichtet wurde. In Disposition, Klanggebung
und Konzeption vereinigt die Wiener Bach-Orgel charakteristische
Merkmale der bedeutenden Orgelmacher Gottfried Silbermann (1683-1753)
sowie Tobias Gottfried Heinrich Trost (1673-1759), die als Hauptrepräsentanten
des thüringisch-sächsischen Orgelbaus in der Zeit Johann
Sebastian Bachs angesehen werden können. Die Orgel verfügt
in historischer Bauweise über 24 Register auf zwei Manualen
und Pedal, über Schleifwindladen mit mechanischer Spiel-
und Registertraktur sowie über eine Stimmung in ungleichschwebender
Temperatur.