Die
Orgel der St. Martinskirche in Dudelange (Luxemburg)
Die Orgel
der St. Martinskirche in Düdelingen wurde 1912 von Georg
Stahlhuth (1830-1913) und seinem Sohn Eduard Stahlhuth (1862-1916)
aus Burtscheid bei Aachen erbaut. Georg und Eduard Stahlhuth waren
zeit ihres Lebens mit dem berühmten Orgelbauer Joseph Merklin
befreundet, bei dem sie das Orgelbauhandwerk erlernten. Diese
Tatsache sowie die Aufträge, die sie in England und Irland
erhielten, hatten zur Folge, dass sie als eine der ganz wenigen
Orgelbauer französische und englische Klangelemente in die
deutsch-romantische Orgel integrierten und somit den "europäischen
Orgelbauideen" Albert Schweitzers entsprachen, auf denen
das Lastenheft zum Bau der Orgel von 1912 beruhte.
Die dreimanualige
Orgel von 1912 hatte 45 Register (und 3 schwellbare Transmissionen
im Pedal) auf Kegelladen, eine pneumatische Spiel- und Registertraktur
und wurde von drei englischen Wassermotoren angetrieben. Eine
weitere Anleihe aus der englischen Klangästhetik war die
im Positiv-Schwellwerk auf 300 mm WS stehende Hochdruck-Tuba mirabilis
8’. Typisch französische Eigenschaften waren, neben
den für Stahlhuth charakteristischen überblasenden Stimmen,
Zungen in französischer Bauform (mit verzinnten Kehlen),
von denen mindestens drei - Vox humana 8’, Tuba 8’
und Posaune 16’ ("octave grave de bombarde 16’,
grosse taille") von der Pariser Orgelpfeifenmanufaktur-Sézerie
geliefert wurden. Im Grundcharakter war die Orgel jedoch deutsch-romantisch
ausgerichtet, mit zahlreichen 8’-Registern, einer Unterscheidung
der Manuale nach den verschiedenen Mensuren (weit, normal, eng)
und ihrer Stärkeschattierungen (f, mf, p). Neben der Hochdruck-Tuba
mirabilis hatte die Orgel zwei weitere, sogenannte Starktonregister
: Seraphon Gedackt 8’ und Seraphon Flöte 8’ mit
jeweils zwei Labien. Mit diesen drei Starkton-Registern, den zahlreichen
Grundstimmen und den beiden Schwellwerken mit ihren Sub- und Superoktavkoppeln
hatte die Orgel eine ausserordentliche dynamische Bandbreite.
Diese Orgel
erlitt 1962 in völliger Verkennung ihrer stylistischen Besonderheiten
nach der damals vorherrschenden neobarocken Klangästehtik
tiefgreifende Veränderungen in ihrer technischen und klanglichen
Struktur: Herabsetzung des Winddrucks, Ersatz der Pneumatik durch
Elektrik, Entfernung des originalen Spieltisches, Veränderungen
am Pfeifenwerk, Versetzung ganzer Register auf andere Windladen,
Hinzufügen von hochklingenden Mixturen und Aliquoten und
eines vierten, neobarock konzipierten Manuals sowie Entfernung
charakteristischer Stahlhuth-Register.
Nachdem
die Orgel Mitte der 90er Jahre kaum noch spielbar war, konnte
die bereits seit Ende der 80er Jahre geplante Erneuerung der Orgel
nach jahrelangen Studien erfolgen. Während der von der Firma
Thomas Jann von 2001 bis 2002 durchgeführten Erneuerung wurden
folgende Arbeiten erledigt :
- Restaurierung
und Rekonstruktion der Stahlhuth-Register und Windladen von 1912
- Erneuerung
der Schwellkästen und der Windversorgung
- Entfernen
der 1962 hinzugefügten Register und der damals erfolgten
Umänderungen
- Ersetzung
des neobarocken Positivs von 1962 durch ein mit Horizontalzungen
bestücktes Bombardwerk
- harmonische
Erweiterung der Orgel auf insgesamt 78 klingende Register mit
deutsch-romantischen und
französisch-symphonischen Klangfarben, insbesonders
durch:
- Weiterentwicklung
des Streicherchores (16’ bis 1 3/5’)
- zahlreiche
orchestrale Solostimmen sowohl deutscher als auch französischer
Bauart und Intonation
- Erweiterung
und Differenzierung des reich besetzten Zungenchores (insgesamt
23 Register) auf sämtlichen
Manualen (Zungenregister deutscher und französischer
Bauart und Intonation)
- Pedalfundament
auf 32’-Basis (Untersatz 32’ ab C, Contrabombarde
32’ in voller Länge)
- Großaliquoten
5 1/3’ und Terz 3 1/5’ und tief klingende, zum Teil
progressive Mixturen
- Neuintonation
der ganzen Orgel kompromisslos nach romantischen Intonationstechniken,
- neuer
viermanualiger Spieltisch mit elektronischer Setzeranlage, MIDI-Schnittstelle
und Replay-System.
Die wichtigste
Eigenschaft der Orgel ist somit seit 2002 die stilgerechte Aufführung
sowohl der deutschen als auch der französischen und englischen
Literatur der romantisch-symphonischen Epoche.