Die Mathis-Orgel (1992)
der Pfarrkirche St. Martin in Olten (Schweiz)

 

Die im Jahre 1910 geweihte St. Martinskirche besaß schon immer große Instrumente mit jeweils drei Manualen und Pedal, die durch das gewaltige Raumvolumen mit rund eintausend Sitzplätzen notwendig waren.

Die erste Orgel mit 33 Registern erstellte die Firma Goll aus Luzern. Ein Werk mit pneumatischer Traktur und Registratur, das schon bald große Mängel in betrieblicher Hinsicht aufwies. Durch Mäusefraß - der benachbarte Josefsaal diente eine zeitlang als Lebensmittellager - wurden vor allem die aus Leder gefertigten Bälge und Ventile zerstört. Schon im Jahre 1932 errichtete darum die Orgelbau Willisau AG ein völlig neues Werk mit 49 Registern. Durch den sich in jener Zeit schnell wandelnden Geschmack in Orgelfragen und auch wegen technischer Mängel wurde im Jahre 1949 die Firma Goll beauftragt, das bestehende Instrument von Grund auf umzubauen und zu erweitern. Mit 64 Registern war dies eine der großen Orgeln unseres Landes, doch schon in den siebziger Jahren machten sich Probleme bemerkbar. Die Expertise des Organisten und Sachverständigen Josef Bucher stellte 1972 dazu unter anderem fest, die Orgel sei »technisch, künstlerisch und liturgisch überholt« und die Kirchengemeinde sollte sich »in absehbarer Zeit mit dem vollständigen Neubau befassen«. Einerseits war das elektrisch-pneumatische Traktursystem vor allem in der kalten Jahreszeit sehr störanfällig, zum anderen beklagte man das sehr verschwommene Klangbild, dies, weil die Pfeifen entgegen aller Orgelbauertradition in allen möglichen Winkeln und Ecken der Empore aufgestellt waren. Als die Reparaturen immer aufwendiger wurden und ein vernünftiges Orgelspiel nicht mehr möglich war, wurde von 1989 an die kirchenmusikalische Gestaltung der Gottesdienste mit gemieteten Kleinorgeln vom Chorraum her bewerkstelligt.

Bereits 1984 war eine spezielle Orgelbaukommission unter dem Präsidenten Martin E. Fischer bestellt worden, mit dem Auftrag, die Frage eines neuen Orgelwerkes für die Martinskirche zu prüfen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Es war allen Beteiligten klar, daß die nun schon vierte Orgel in knapp achtzig Jahren endlich eine in allen Bereichen befriedigende Lösung für Jahrzehnte darstellen sollte. Nach umfangreichen Abklärungen und Gesprächen mit Fachleuten erwies es sich als unumgänglich, das neue Werk in der jetzigen Art anzuordnen: Daß die drei Vorgängerinnen klanglich nie ganz befriedigen konnten, lag vor allem daran, daß die Pfeifen jeweils um das große Rosettenfenster herum aufgestellt werden mußten, obwohl bereits der Erbauer der Kirche, August Hardegger, sicher aus akustischen Gründen besondere aber auch alle Anforderungen, die durch den liturgischen Gebrauch gestellt werden. In fruchtbaren Diskussionen zwischen dem Sachverständigen, den Kirchenmusikern zu St. Martin und der Orgelbaufirma konnte die Klangfarbenpalette noch verfeinert werden, und mit sparsamen Mitteln wurde ein Werk geschaffen, das den Vorgaben und dem sehr großen Kirchenraum gerecht wird. Das mächtige Hauptwerk auf 16'-Basis bildet das Kernstück der Orgel. Ihm gegenübergestellt ist das Positiv mit mehrheitlich barocken Registern, ohne die hochliegende Klangkrone auch als romantisches Positiv gedacht. Das reich dotierte Schwellwerk läßt kaum Wünsche offen, sowohl hinsichtlich der deutschen wie auch der französischen Romantik. Als Fundament des ganzen Werkes dient das Pedal mit dem tragenden Untersatz 32'. Durch stiltypische Register, geeignete Mensuren und differenzierte Winddrücke konnten die klanglichen Intentionen verwirklicht werden.

© Hermann Mathis (Auszug aus dem CD-Booklet)