Die Orgel der Kathedrale Saint-Maurice in Angers (Frankreich)

 

Bereits 1369 gab es in der Kathedrale von Angers eine Orgel, die das Gebet der Gläubigen begleitete und unterstützte. Ihr folgten in den nächsten Jahrhunderten insgesamt vier Instrumente, deren letztes im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts nicht mehr spielbar war. Jean Dangeville, ein aus Paris stammender Orgelbauer, der sich in Angers niedergelassen hatte, erhielt deshalb 1735 den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel, deren Gehäuse von Louis Hamon und Surugue bis heute erhalten blieb. Dangevilles Instrument besaß im Stil der französischen Orgelbaukunst des 18. Jahrhunderts 47 Register auf vier Manualen und Pedal.

1873 betraute man Aristide Cavaillé-Coll mit der Wiederherstellung der Orgel, deren Ästhetik nun geändert wurde: Cavaillé-Coll beseitigte das vierte Manual, baute die kurze Récitklaviatur zu einem vollständigen Werk mit zehn Registern aus und ersetzte verschiedene Mixturen durch romantische Stimmen wie überblasende Flöten oder Unda maris im Positiv. Glücklicherweise behielt der Orgelbauer das Rückpositiv bei, was bei seinen Umbauten nicht immer der Fall war.

Instandsetzungsarbeiten 1901 und 1937 durch die Firma Debierre aus Nantes beinhalteten nur geringfügige Änderungen der Cavaillé-Coll'schen Konzeption.

Nach der Bombardierung von Angers 1944 war eine Restaurierung der schwer beschädigten Orgel unumgänglich. Es stellte sich nun die Frage, ob man das vollständig vergessene Werk Dangevilles rekonstruieren oder den durch Cavaillé-Colls Umbau geschaffenen Zustand restaurieren solle. Die Kommission entschied sich einstimmig für die Wiederherstellung der Cavaillé-Coll-Orgel, die von den Experten als authentisches Zeugnis der romantischen Orgelbaukunst bezeichnet und von den auf ihr konzertierenden Künstlern ob ihrer charmanten Klänge gerühmt wurde. Der Auftrag ging an die Firma Beuchet-Debierre, die schon seit sehr langer Zeit mit der Wartung des Instruments betraut war. Eine Möglichkeit wäre nun gewesen, sich mit der Wiederherstellung der Orgel ohne Hinzufügung neuer Stimmen zu begnügen. In dieser Hinsicht hatten die Beaux-Arts bereits nützliches geleistet. Dennoch wünschten die Verwaltung der Beaux-Arts, der Titularorganist, Abbé Aubeux, der Orgelbauer und die Experten die Erweiterung um einige neue Register. Die Orgel der Kathedrale von Angers wurde deshalb von 46 auf 65 Register erweitert, ohne jedoch wieder ein viertes Manual einzubauen. Auf Wunsch von Abbé Aubeux wurde die Intonation Cavaillé-Colls ohne jede Änderung respektiert.

Das ursprüngliche Konzept der Wiederherstellungsarbeiten sah die Beibehaltung der mechanischen Traktur vor, wobei der Orgelbauer zur Erleichterung des Anschlags die Erweiterung des bestehenden Barkers im Hauptwerk um einen weiteren Barker im Récit vorschlug, dessen Registerzahl verdoppelt werden sollte. Allein das Positiv hätte bei dieser Lösung eine direkte Mechanik behalten. Nach reiflicher Überlegung schlug Joseph Beuchet jedoch mit gutem Grund die Elektrifizierung des Instruments vor, die eine sehr schätzenswerte Verbesserung bedeutete. Man könnte hinzufügen, daß die Elektrifizierung folgerichtig war und diese Lösung schließlich ausgeführt wurde. Joseph Beuchets Sorgfalt in der Konzeption elektrischer Spieltische ist bekannt und so verwundert es nicht, daß der in Angers den schwierigsten Anforderungen gerecht wird. Freie Kombinationen wurden für einen späteren Einbau vorbereitet [...].

Das in den sechsundvierzig alten und den neuen Registern zumeist aus Metall bestehende Pfeifenwerk ergibt eine schöne Klangpalette. Mit Ausnahme der Fourniture im Hauptwerk sind alle Mixturen neu, sie glänzen ohne Aggressivität. Man kann auch die Kornette loben. Das Jeu de Tierce im Hauptwerk (Cornet 16' ) erlaubt mit dem Jeu de Tierce im Positiv (Cornet 8' ) das Duo-Spiel der französischen Schule, wobei es dieser Registrierung nicht an Charme fehlt. Die Horizontaltrompeten haben einen imposanten Klang, die Bombarde 32' trägt beträchtlich zur Majestät des Tutti bei.

Das Ensemble stellt eine sehr schöne Arbeit dar, die dem französischen Orgelbau zur Ehre gereicht. Man kann Joseph Beuchet nicht genug loben. Sollte man eines Tages ihn noch bitten, einige Änderungen an der Intonation der romantischen Register vornehmen, so würde dies dem Instrument vielleicht mehr klangliche Einheit verleihen [...].

Gaston Litaize
(Les monuments historiques au service des orgues de France,
Bulletin trimestriel 2-3/1962) © deutsche Übersetzung: Günter Lade

 

Disposition

 

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Fotos: © Günter Lade

 

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