Die Hauptorgel der Basilika
Unserer Lieben Frau zu den Schotten in Wien
historisches
Gehäuse der Orgel von Ignaz Kober (Wien)
1804, II-P/47
neue Orgel
von Mathis Orgelbau (Schweiz)
1995, III-P/49
Waren für die Planung der Chororgel
die liturgischen Anforderungen in Chorgebet und Gottesdienst ausschlaggebend,
so mussten für den Neubau der großen Orgel zunächst
einige grundlegende Entscheidungen getroffen werden. Die Übernahme
des historischen Prospekts mit seinen zwei Gehäuseflügeln
und dem Rückpositiv legte zwar von Anfang an eine klassische
Konzeption nahe, doch galt es nun zu überlegen, das neue
Instrument als Rekonstruktion bzw. Kopie der ehemaligen Kober-Orgel
mit Wiederverwendung des erhaltenen Originalspieltisches oder
als einen von der Kirchengeschichte her unbelasteten Neubau zu
konzipieren. Kober'sches Pfeifenwerk war mit Ausnahme von zwölf
Quintaden-Pfeifen der 2'-Lage nicht mehr erhalten, eine Rekonstruktion
wurde deshalb für nicht sinnvoll erachtet. Auch war man der
Meinung, dass eine Kopie der ursprünglichen Disposition in
unserem durch alle Phasen der Romantik und Moderne erweiterten
Musikschaffen tief greifende Einschränkungen bedeutet hätte.
Man entschloss sich deshalb zu einem Neubau unserer Zeit, wobei
dem überkommenen Werkaufbau mit Hauptwerk, Rückpositiv
und Pedal ein Schwellwerk romantischer Prägung beigefügt
wurde. Der Bau des Schwellwerks bedingte unter anderem eine geringfügige
Erweiterung der weiteren Manuale um romantische Stimmen wie beispielsweise
Flûte harmonique, die in dieser Klanggestalt in einer rein
barock disponierten Orgel nicht anzutreffen wäre.
Die bestehende
Molzer-Orgel wurde im Sommer 1993 abgetragen. Da Molzer nur die
historischen Prospektfassaden beibehalten hatte, fehlten dem originalen
historischen Gehäuse neben den meisten Dächern sämtliche
Seiten- sowie Rückwände, die 1959 bei der Rückversetzung
der Gehäuseflügel an die Westwand beseitigt worden waren
(abgeschlagene Stuckaturen künden hier noch von der Einfühlsamkeit
des Vorgehens, auch wurden damals zwei bestehende Wandmedaillons
verdeckt).
Nach der
Restaurierung des Gehäuses, dessen Gerüst weitgehend
neu erstellt werden musste, kam der Hauptprospekt mit einem rückwärtigen
Freiraum von etwa 1,20 Metern wieder an seinem ursprünglichen
Platz zu stehen. Neben der Verbesserung des optischen Gesamteindrucks
(die Seitenwände der Gehäuseflügel ragen nun nicht
mehr in die Fensterleibung hinein) hatte dies auch eine räumlich
bessere Klangabstrahlung von Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal
sowie eine kürzere Distanz dieser Werke zum Rückpositiv
zur Folge.
Wie unter
dem Fußboden die Ausschnitte in den Balken beweisen, kam
der neue Spieltisch genau an der Stelle zu stehen, an der auch
Kober seinen (heute im Technischen Museum Wien) befindlichen Spieltisch
aufgestellt hatte. War zunächst dessen Wiederverwendung vorgesehen,
so musste man sich schließlich - bedingt durch die vermehrte
Registerzahl, den erweiterten Tonumfang sowie die Dreimanualigkeit
der neuen Orgel - doch für einen Neubau entscheiden, der
jedoch in seiner tischlerischen Verarbeitung und mit seinen steil
steigenden Registertafeln an das historische Vorbild angelehnt
wurde.
Im linken
Teil des Hauptgehäuses kamen hinter dem Prospektregister
Praestant 16' die Pfeifen des Hauptwerks zu stehen, an das sich
das Kleinpedal sowie außerhalb hinter dem Gehäuse auf
einer eigenen Windlade der Untersatz 32' anschließen. Der
rechtsseitige Gehäuseteil beinhaltet in der Fassade Principal
16' des dahinter befindlichen Großpedals und das Schwellwerk.
Wie bei Kober birgt der Mitteltrakt einen Teil der Windanlage
und des Regierwerks, während das Rückpositiv mit Praestant
4' im Prospekt seinen angestammten Platz einnimmt.
Erwähnung
verdient, dass das gesamte Pfeifenwerk neu erstellt und die zwölf
Kober'schen Quintaden-Pfeifen im Stift eingelagert wurden. Die
Intonation besorgte Hermann Mathis, dem trotz der schwierigen
Akustik der auf einer zu hohen Empore befindlichen Orgel ein überzeugendes
Ergebnis gelang. Prof. Michael Radulescu nahm am 17. Dezember
1995 die Abnahme der Orgel vor, die er in seinem Gutachten an
Abt Dr. Heinrich Ferenczy sowohl für das romantische, symphonische
und moderne Repertoire als auch für die Darstellung der grossen
Orgelwerke Bachs als repräsentativste Orgel Wiens bezeichnete.