Daniel Roth
»Das
so gut wie vollständig original erhaltene Opus magnum Cavaillé-Colls
in Rouen darf man wohl ohne Übertreibung zu den Orgel-Weltwundern
zählen, und deshalb war eine gründliche Monographie dieses
Instruments längst überfällig. Sie ist nun in einer
Form erschienen, die wahrhaftig ihres grandiosen Gegenstandes würdig
ist. Außer einer präzisen Darstellung der Baugeschichte
und aller Einzelheiten der Cavaillé-Coll-Orgel samt Durchmessermensuren
aller erreichbaren C-Werte finden wir hier ein zusammengefasstes Kapitel"
Die Entwicklung der französisch-symphonischen Orgel im Schaffen
Aristide Cavaillé-Colls", eine Geschichte des Kirchengebäudes
und der Vorgängerorgel sowie wichtige Beigaben: Eine detaillierte
klangliche Würdigung der Orgel durch Ch.-M. Philbert von 1890,
Kurzbiographien der Organisten von St. Ouen, die Originaldispositionen
der anderen Cavaillé-Coll-Orgeln in Rouen, vergleichende Mixturenzusammenstellungen
und Mensurentabellen sowie Literaturverzeichnis und Diskographie.
Die Bebilderung ist geradezu üppig, überaus sorgfältig
überhaupt die gesamte Präsentation des Bandes. Bekanntlich
gehört es zu den wichtigsten Pflichten eines jeden Orgelbeflissenen,
wenigstens einmal im Leben diese Orgel an Ort und Stelle gehört
zu haben. Wer sich dabei ernsthaft mit ihr beschäftigen will,
dem ist ab sofort das Studium dieses Buches als Pflichtpensum aufgegeben.
Hermann J. Busch
(Ars Organi 1991/4)
Es
lag ja eigentlich auf der Hand, dass die intensive Beschäftigung
mit den verschiedenen Orgeltypen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts
bis in ihre sublimen bautechnischen und klanglichen Details hinein
über kurz oder lang die Wiederentdeckung des Eigenwertes romantischer
Orgelinstrumente zur Folge haben würde. Mehr als anderswo hat
in Frankreich die Orgel einen festen Platz im Kulturleben des 19.
Jahrhunderts behaupten können. So konnte sich dort aus der barocken
Tradition heraus eine symphonische Orgel entwickeln, die den neuen
Idealen entgegenkam, aber klanglich und handwerklich den Vergleich
mit der klassischen Zeit der Orgel kunst nicht zu scheuen brauchte.
Aristide Cavaillé-Coll gilt als einer der ganz Großen
des romantischen französischen Orgelbaus und ein spätes
Beispiel des von ihm zur Reife gebrachten Instrumenten-Typus, das
noch dazu im wesentlichen unverfälscht auf uns gekommen ist,
ist es wohl wert, dass man sich seiner durch eine organologisch gründliche,
umfassende und bestens ausgestattete Arbeit annimmt: René Verwer
lieferte den niederländischen Originaltext, Günter Lade
die Übersetzung und das Layout. Es ist nicht leicht, die Qualitäten
dieser Veröffentlichung knapp zu umschreiben: den klaren Aufbau
etwa, die Akribie der Darstellung, das reiche Bild- und Tabellen-Material.
Das Studium dieses außergewöhnlichen Buches ist im Grunde
nicht nur dem Freund der spezifisch französischen Orgel-Romantik
anzuraten, sondern jedem, dem das Phänomen Orgel als ein Teil
der europäischen Kulturgeschichte etwas bedeutet, selbst wenn
er sich auf einen anderen Orgeltyp spezialisiert hat.
kfw (Musica
Sacra, 1992/1)
Mit
einem prächtig illustrierten Band stellt der Holländer René
Verwer das von Charles-Marie Widor enthusiastisch als «orgue
à la Michel-Ange» gepriesene Werk in Saint-Ouen vor.
Während der geschichtliche Rückblick von der Abteikirche
und etwa noch die Darstellung des Orgelgehäuses, alles begleitet
von meist ganzseitigen Bildern, den (nicht selber spielenden) Orgelfreund
anzusprechen vermag, ist der Rest des Buches für den Kenner gedacht.
Eine Vielzahl von orgelbautechnischen Details, vom Orgelbau in Saint-Ouen
wie auch aus früheren Schaffensperioden Aristide Cavaillé-Colls,
ist beschrieben, fotografiert und gezeichnet: Traktur, Windversorgung,
Windladen mit verschiedenen durch Cavaillé-Coll ausgedachten
und erprobten «Raffinessen». Zu den S. 15 angegebenen
Koppelmöglichkeiten in früheren Orgelbauten müssten
ergänzend die Erkenntnisse von Emil Bächtold betreffend
die César Franck-Orgel in Ste.-Clotilde 1859 einbezogen werden
(siehe MuG 1/1991, S. 18). - Im weiteren werden Feinheiten der Disposition
und der Klanggestalt nahegebracht und mit Tabellen veranschaulicht
(vergleichende Dispositionen, Bauweise jedes einzelnen Registers,
Mixtur-Zusammensetzungen, Mensuren). Den Organisten wird die genaue
Aufnahme des Spielschrankes mit all seinen typischen Spezialitäten
besonders interessieren. Nicht unerwähnt sind auch finanzielle
Aspekte.
Der Anhang bringt neben
den erwähnten vergleichenden Tabellen Berichte zur Einweihung.
Aufgelistet sind auch bedeutende Kompositionen, die für diese
Orgel geschrieben wurden; u. a. die Symphonie gothique op. 70 von
Widor und die «Évocation» op. 37 von Dupré.
Am Schluss findet sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie
eine Discographie. Von Saint-Ouen gibt es bereits zahlreiche Aufnahmen
(z.B. Werke von Guilmant, Widor, Vierne).
Das Buch enthält
also nicht nur eine Beschreibung dieser einen Orgel, sondern es stellt
sie auch ins Umfeld des gesamten orgelbaulichen Schaffens von Cavaillé-Coll.
Kenner der französischen Orgel des 19. Jahrhunderts und solche,
die es werden wollen, werden es mit Interesse aufnehmen ( ...sich
allenfalls gerne schenken lassen!).
Heinz Roland
Schneeberger (Musik und Gottesdienst 1992/3)