Edition Lade   -   EL CD 009


Anton Bruckner (1824-1896): Symphonie IV (Version 1878/80) »Romantische«

Transkription für Orgel: Thomas Schmögner                      World Premiere Recording

 

Edition Lade - EL CD 009

Thomas Schmögner

Die Orgel

 

 

 

 

Thomas Schmögner
an der Cavaillé-Coll-Orgel der Pfarrkirche La Madeleine in Paris

1 CD  -  DDD  -  Spielzeit: 68' 54
Booklet: deutsch-französisch-englisch, 20 Seiten, 7 Abbildungen
€ 18,90


Anton Bruckners Reputation als Organist ist heute nur schwer nachvollziehbar. Sein Wirken als Stiftsorganist von St. Florian, als Organist des Alten Domes zu Linz und der Wiener Hofburgkapelle stärkten seinen Ruf als außergewöhnlicher Musiker und Improvisator - einige vage, wenn auch begeisterte Beschreibungen seines Spiels lassen jedoch nur annähernde Vermutungen über seine an der Orgel entstandenen musikalischen Äußerungen zu. Der Anteil der niedergeschriebenen Originalkompositionen nimmt dabei eine vernachläßigbare Größe ein. Neben kleineren Präludien und Fugen aus seiner Studienzeit verrät höchstens das kurze, 1884 entstandene Perger Präludium ideenhaft den Bruckner'schen Orgelstil, wenngleich auch dieses seinen berühmten Improvisationen kaum zur Seite gestellt werden kann. Geistige Tiefe, gepaart mit einer der Liszt'schen Klaviertechnik entlehnten Virtuosität, mögen seinen Personalstil geprägt haben.

Ein Ohrenzeugenbericht über Bruckners Auftreten in London vermittelt Außergewöhnliches: »Wenn er als Orgelpunkt seinen berühmten Pedaltriller in unersättlicher Ausdauer ertönen ließ, oder ein Thema in Pleno mit Vibratoakkorden in der linken Hand begleitend durchführte, vermochten die Bälgetreter den nötigen Wind kaum mehr aufzubringen ...«. Seine Zuhörer rühmten auch immer wieder seine phänomenale Pedaltechnik. So nimmt es auch nicht wunder, daß Bruckner in Frankreich - einem Land, in dem die Orgelkunst sowohl im Orgelbau als auch im Orgelspiel in hoher Blüte stand - großartige Erfolge verbuchen konnte. Der Stil der französischen Orgeln des 19. Jahrhunderts mit ihrer Ausgewogenheit an klanglichen Mitteln, ihrer symphonisch-orchestral gefärbten Tongebung mag für Bruckners Klangvorstellungen ideal entsprochen haben, die technische Weiterentwicklung gegenüber der Barockorgel ließ ihm virtuose Freiräume, die auszuleben ihm der Standard des österreichischen Orgelbaus kaum gestattete. Bruckner äußerte sich darüber in einem Brief an Rudolf Weinwurm vom 8. März 1868: »Mein Herz ist aber leider nur für größere Orgeln angepaßt. Bei kleinen Orgeln geht der ganze Effekt flöten, und wird sogar oft lächerlich ...«

Seine Improvisationen schöpften ihr thematisches Material fast immer aus eigenen Werken, oftmals kombiniert mit Themen Richard Wagners. Über ein Konzert in Steyr am 17. Dezember 1891 wird berichtet: »Er begann mit Themen aus seiner VII. Symphonie in zarter Registrierung ging dann in Pleno zum Gralsthema aus Parsifal über und beschloß das grandiose Spiel mit einem Choral aus seiner eben erst in Konzeption begriffenen IX. Symphonie«.

Die klangliche Wechselbeziehung Orgel/Orchester innerhalb seiner Symphonien wurde schon mancherorts eingehend erläutert und analysiert. Das blockhafte Absetzen der einzelnen Instrumentengruppen etwa als Wechsel von einem Manual zum anderen, die terrassenhafte Dynamik als das Zu- und Abstoßen einzelner Register oder Registerfamilien. Diese eigenwillige Behandlung des Orchesterapparates mag bei Bruckner wohl kaum Ausdruck mangelnder Kenntnis des Orchestrierens gewesen sein (von Jugend an bemühte er sich in akribischer Genauigkeit um das Verständnis der Instrumente und ihrer Behandlung), sondern der bewußte Versuch, die modulationsfähige Expressivität des romantischen Orchesters zu erweitern beziehungsweise zu überwinden. Seine zahllosen Um- und Bearbeitungen eigener Werke zielen auch immer auf diese neue Klanglichkeit hin. Einer weiteren, fast noch wesentlicheren Wechselbeziehung kann auf formal-architektonischer Ebene nachgespürt werden. Die eruptive Vielschichtigkeit, die Präsentation verschiedenster Themengruppen und das fast rhapsodische Aufbäumen und Abklingen des musikalischen Flusses gemahnen an den Improvisator Bruckner. Wenn zu Beginn des Finales der IV. Symphonie die Bässe mit einem ostinaten Pizzicato-Ton anheben, zwei Takte später die Streicher mit einer Umspielungsfigur Atmosphäre schaffen, eine Klangfläche legen, in der das Hauptthema des Solohorns eingebettet liegt, so denkt man unweigerlich an den Beginn einer Improvisation.

Die Orgel war für Bruckner sicher kein Orchesterersatz, trotzdem dürfte sie ihm zur Orchestrierung seiner Symphonien wesentliche Anreicherungen gegeben haben. Als wichtiges Entwicklungsstadium zwischen Particell und der Partitur hat Bruckner die Orgel zur Verdeutlichung seiner Instrumentierung immer wieder herangezogen.

Die Orgelfassung einer gesamten Symphonie kann das Original natürlich nicht ersetzen. Im klanglichen Resultat kommt es für uns heutige Hörer dem Erlebnis Bruckner auf der Orgel wahrscheinlich am nächsten. Äußerste Virtuosität, souveräne Handhabung der Pedalstimme und des gewaltigen Registrierapparates stellen an den Interpreten hohe Anforderungen, die durch das klangliche Ergebnis jedoch reich belohnt werden. Versucht man als Hörer nicht so sehr den Vergleich mit der Orchesterfassung zu suchen, sondern die Art der Handhabung der Orgel an sich zu verfolgen, beeindruckt die Einzigartigkeit des Orgelstils, der weder mit den großen Werken Franz Liszts noch mit den Orgelsymphonien der französischen Schule verglichen werden kann. Meine Bearbeitung sucht deshalb in der Symbiose deutscher und französischer Registrierkunst den Bruckner'schen Absonder lichkeiten nachzuspüren. Manche dynamischen Übergänge wirken auf der Orgel kompromißloser, gewaltsamer als in der Orchesterfassung, unterstreichen dadurch aber vielleicht noch stärker das zyklopenhafte Wesen insbesondere der Forte-Stellen. Überraschend wirkte die Tatsache, daß manche Tonumfänge der Themen genau auf den Umfang der Tastaturen des Pedals oder der Klaviaturen der Orgel anpaßbar sind (zum Beispiel am Beginn des zweiten Satzes) - ein vielleicht nicht ganz zu unterschätzender Zufall?

Bei der Suche nach einem geeigneten Instrument zur Einspielung von Bruckners vierter Symphonie fiel die Wahl auf eine Orgel fran­zösisch-symphonischen Typs. Die 1846 von Aristide Cavailld-Coll erbaute Orgel der Pariser Pfarrkirche La Madeleine zeichnet sich dank ihres Reichtums an vielfarbigen Grundstimmen und imposanten Zungenregistern besonders zur Darstellung orchestraler Effekte aus.

© Thomas Schmögner (gekürzte Fassung des Booklet-Textes)

 

 


P r o g r a m m

 
Anton Bruckner (1824-1896)
Symphonie IV (Version 1878/80) »Romantische«
Transkription für Orgel: Thomas Schmögner

1         Bewegt, nicht zu schnell
           19' 27


2         
Andante, quasi Allegretto
           16' 22


3         
Scherzo. Bewegt / Trio. Nicht zu schnell. Keinesfalls schleppend
           11' 42

4         
Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell
           21' 23

 

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