»Mit
dem vorliegenden, Pierre Cochereau gewidmeten Buch legt Günter
Lade den ersten Band einer insgesamt zwei Teile umfassenden umfangreichen
Dokumentation über die Geschichte der Orgeln in Notre Dame zu Paris
vor. Das Werk geht auf ein von Günter Lade 1988 verfasstes Manuskript
zurück, das im Rahmen einer Einladung für ein Orgelkonzert
in Notre-Dame zu Paris entstand. Die geschichtliche Darstellung der
Orgeln zu Notre-Dame sollte ursprünglich im Sommer 1993 im Druck
erscheinen. Die Publikation verzögerte sich jedoch durch einen
Zufallsfund im Mai 1995: Im Tresor des von der Kathedrale unabhängigen
"Musée de Notre-Dame" fand sich ein 500 Seiten umfassender
Dokumentenband, bestehend aus der Orgelakte von Notre-Dame und Schriftstücken
aus dem Besitz des Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll. Die Auswertung
dieser Archivalien dauerte nochmals anderthalb Jahre. Aufgrund der umfangreich
vorhandenen Quellen, die eine detaillierte Auswertung und Darstellung
erforderten, musste die Orgeldokumentation in zwei Bände aufgeteilt
werden: Der erste Band ist der Orgelgeschichte von 1330-1900 gewidmet.
Der zweite Band beschreibt den Werdegang der Orgel von 1900 bis in die
Gegenwart, wobei insbesondere Leben und Werk Louis Viernes im Vordergrund
stehen.
Band I ist in die Kapitel "Die Kathedrale
Notre-Dame" (Baugeschichte), "Die mittelalterliche Orgel 1403 bis
1730", "Die barocke Orgel 1731 bis 1832", "Die frühromantische
Orgel 1833 bis 1863" und "Die symphonische Orgel 1864 bis 1900"
gegliedert. Jedes Kapitel behandelt nicht nur die Orgelgeschichte des
behandelten Zeitabschnittes, sondern geht auch ausführlich auf
die tätig gewordenen Orgelbauer (z. B. Thierry, Clicquot, Dallery,
Cavaillé-Coll) sowie auf die zu der jeweiligen Zeit amtierenden
Organisten ein (u.a. Calvière, Bous-set, Balbastre, d'Aquin,
Pollet, Danjou, Sergent).
Dank des eingangs genannten Glücksfundes
im "Musée Notre-Dame" nimmt der Werdegang des 1867/1868
von Aristide Cavaillé-Coll vollendeten Instruments einen besonders
breiten Raum ein (Auftragsvergabe, Bau, Abnahme, Weihe, Wartung, Restaurierung).
Ein großer Teil der Quellentexte (z. B. Kostenvoranschläge,
Gutachten, Korrespondenzen Aristide Cavaillé-Colls) wird in diesem
Abschnitt erstmals der Fachwelt auch in einer deutschen Übersetzung
präsentiert. Des Weiteren stellt Lade in diesem Kapitel den zu
jener Zeit amtierenden Kathedralorganisten Eugène Sergent vor
und beschreibt ausführlich das triumphale Orgelkonzert Anton Bruckners
von 1869.
Der Text ist mit zahlreichen Fotografien
(auch Außen- und Innenaufnahmen der Kathedrale), Porträts
von Orgelbauern und Musikern, Faksimiles von Zeichnungen, Skizzen, Querschnitten,
Briefen, Kostenvoranschlägen, Rechnungen und mit Notenbeispielen
illustriert. Satz, Druck und die Qualität der Abbildungen sind
exzellent. Das mit Akribie, Fleiß und detailliertem Fachwissen
verfasste Buch kann als eines der Standardwerke über den französischen
Orgelbau bezeichnet werden und sollte in keiner Musikbibliothek fehlen.«
Achim Seip (Ars
Organi 2001/3)
»Von
der Orgel der Kathedrale Notre-Dame in Paris geht eine ungebrochene
Faszination aus. Vielfach als Mekka von Organisten aus aller Welt apostrophiert
kommt ihr in der Orgelwelt gewissermaßen eine Sonderstellung zu,
für die Albert Schweitzers Äußerung, dass die Engel
des jüngsten Gerichts einst das Gloria auf ihr spielen würden,
geradezu symptomatisch ist. Ungeachtet eines diesbezüglich nicht
von der Hand zu weisenden Hanges zu einer gewissen Verklärung und
Mystifizierung trifft hier doch alles zusammen, was eine Legende braucht:
einer der wenn schon nicht wichtigsten so doch zumindest bekanntesten
Kirchenbauten der Gotik mit einer einzigartigen Atmosphäre, sowie
Orgelbauer und Organisten, die - meistens jedenfalls - zu den besten
ihrer jeweiligen Generation gezählt werden dürfen.
Dem Mythos Notre-Dame hat
sich Günter Lade, seit langem schon mit den vorbildlich gestalteten
Büchern und Aufnahmen seiner Edition ein nicht mehr wegzudenkender
Bestandteil der Orgelszene, mit seinem bereits lange erwarteten Buch
in erfrischend sachkundiger und gewissenhafter Weise genähert.
Vor dem Hintergrund des durch die bisherigen Publikationen nicht geringen
inhaltlichen und bibliophilen Anspruchs kann auch dieses Buch als durchweg
gelungen angesehen werden, die Bezeichnung als Standardwerk dürfte
keineswegs zu hoch gegriffen sein.
Der jetzt erschienene erste
Band beinhaltet allerdings nur die Geschichte der Orgel bis 1900, da
die große Fülle des bei der Vorbereitung des Buches auftauchenden
Materials eine Teilung in zwei Bände nahelegte. Mit einer Fülle
von teilweise erst vor kurzem wiederaufgefundenen und somit zum ersten
Mal zugänglich gemachten Originaldokumenten beschreibt Lade den
Gegenstand seiner Forschungen so detailliert und lückenlos wie
möglich, angefangen von einer kurzen Einführung in die Baugeschichte
der Kathedrale über das vermutlich in der Mitte des 14. Jahrhunderts
erbaute mittelalterliche Blockwerk und die nachfolgenden barocken und
frühromantischen Orgeln bis hin zu Cavaillé-Colls 1868 geweihtem
Chef-d'Oeuvre. dabei geht er nicht nur auf Details ein, die konkret
mit dem Zustand der Orgel in der jeweiligen Epoche (Disposition, Reparaturen,
etc.) zu tun haben, sondern liefert auch jede Menge Hintergrundinformationen
zu geschichtlichen Ereignissen, Orgelbauern und Organisten, die mit
dem Instrument in irgendeiner Weise verbunden waren. So erfahren z.B.
auch die Orgelbauerdynastien Thierry und Clicquot eine ausführliche
Würdigung und man erfährt etwas über alle Organisten
von Jean de Bruges bis hin zu Eugène Sergent. Den Schwerpunkt
des Buches bildet die Geschichte der Cavaillé-Coll-Orgel, wobei
Lade wirklich keine noch so unbedeutsame Einzelheit auszulassen scheint.
Mit großer Akribie wird der oft verzweifelte Kampf des Orgelbauers
mit den Behörden, den Architekten und dem Kapitel um jedes kleine
Detail nachvollzogen und jeweils mit einer großen Zahl von Zeitungsausschnitten,
Briefen und Bildern belegt. Die Fülle des Materials ist schier
überwältigend, manchmal fast schon erdrückend.
Die Präsentation läßt
außer kleineren Marginalien eigentlich keine Wünsche offen.
So sind im ersten Teil nicht alle lateinischen oder französischen
Titate vollständig übersetzt und die gesamten Quellennachweise
erst im noch nicht erschienenen zweiten Band enthalten. Den wird man
sich somit noch zulegen müssen, wenn man bibliographischen Aufschluß
erhalten will - sofern man dies nach der Lektüre des vorzüglichen
ersten Bandes nicht ohnehin zu tun gedenkt.«
Guido Krawinkel
(Freiburger Musik Forum 1997)