Mit
seiner ersten CD-Aufnahme aus dem Jahr 2002 musste und wollte Stephan
Debeur, der seit 2000 Organist an der Basilika Weingarten ist, einen
Steckbrief der bedeutendsten Orgel von Joseph Gabler abliefern. Angesichts
bereits existierender Aufnahmen seines Vorgängers eine nicht ganz
leichte Aufgabe.
Es
galt den Anforderungen einer möglichst umfassenden klanglichen
Präsentation der Gabler-Orgel bei zeitgleich stimmiger Gesamtkonzeption
der CD gerecht zu werden. Gelöst hat Debeur es durch die Aufnahme
von Klassikern der Orgelszene (Bach, Krebs, Mendelssohn), süddeutschen
Vertretern (Knecht, Eberlin) sowie Vertretern der Romantik (Rheinberger).
Allesamt sind es Werke mit spezifischen, stilistischen Charakteren,
die sowohl Plenum und Solomischungen, als auch verschiedene piano-Schattierungen
der Orgel zur Geltung bringen.
Bachs
D-Dur Präludium (BWV 532) eröffnet die CD mit einem großen
Ausrufezeichen. Der Vorwärtsdrang des Präludiums ist atemberaubend
und bleibt durch die agogische Präzision stets luftig. Mit den
Toccaten von Eberlin zeigt Debeur, dass die große Orgel ebenso
für die Wiedergabe intimer Werke wie für süddeutsche
Glanzstücke mit silbrigem Mixturklang und Solo-Zungenstimmen geeignet
ist. In der „Fantasia à giusto italiano“
von Krebs präsentiert Debeur die sagenumwobene Weingartner Vox
humana 8‘ des Rückpositivs als Solostimme, gestützt
von sanftem Streicherklang. Zunächst noch ohne hinzugezogenen Tremulant,
lässt sie beim zweiten Themeneintritt ihre faszinierende und klagende
Wirkung hören. In Rheinbergers „Cantilène“
schließlich entfaltet die Gabler-Orgel eine ihrer Stärken:
Streicherklänge, in denen die solistische Flötenschwebung
(Unda maris) zu hören ist.
Mit
den Werken von Knecht gelingt eine Präsentation der Orgel en
miniature. Plenum und Choralbearbeitung setzen ein deutliches Zeichen.
Dann der spielerische Kontrast: Drei Rondos von Knecht hat Debeur als
Kabinettstückchen für die Präsentation der Effektregister
ausgewählt. Dabei darf die Orgel schrittweise frecher
werden. Im ersten Rondo tritt das kleine Carillon hinzu und wird gegen
Ende vom sanften Grollen des Tympanum abgelöst. Im zweiten Rondo
zwitschert die illustre Rossignol in die Musik. Die eingängige
Melodie des dritten Rondos gleicht dem unbeschwerten Tirilieren der
Vögel, in welches alsbald Rossignol, Cuculus, Cymbala und das Pedal¬glockenspiel
einstimmen. Ein bisschen irritiert mag man von der Folgennummer sein.
Ein Ruf aus der Natur: Vogelgezwitscher, Tympanum, Grollen und die Rossignol
werden gesondert vorgeführt. Nach derartig viel orgelfremden Klängen
wird die Krawatte nun wieder angezogen und mit Knechts Fuge in c-Moll
und der BACH-Fantasie kehren Strenge und Ernst zurück.
Das
letzte Wort hat Mendelsohn mit seiner VI. Orgelsonate. Ein Schlusswort
ganz im Geist der Romantik, sowohl durch die Stückauswahl als auch
durch das Choral-Finale. Hier zeigt Debeur die verborgene Stärke
der Gabler-Orgel für romantisch-grundtönige Musik, auch wenn
die Mixturen im ersten Satz partiell zu sehr aufhellen. Im leisen Finale
darf man sich dann gänzlich einem Orgelklang des 19. Jahrhunderts
hingeben und genießen.
Im
umfangreichen Booklet (D/E/F) liefert Dr. Friedrich Jakob Angaben zum
Orgelbauer, seinen Instrumenten und selbstverständlich zur großen
Orgel der Basilika und deren Historie inklusive einem Überblick
zu den Restaurierungsmaßnahmen. Ergänzt werden sie durch
zahlreiche Schwarzweiß Fotos von Details der Orgelanlage. Die
prägnanten Werkeinführungen von Stephan Debeur punkten mit
ihrem Mix aus Information und Charme – eine Freude für Jedermann.
©
Jörg Marko Heese (2015)