Edition Lade   -   EL CD 044


Concert an der historischen Gabler-Orgel (1750)
der Basilika Weingarten

 

Edition Lade - EL CD 044 - Gabler-Orgel Weingarten

Stephan Debeur

Die Orgel

 

 

 

 

Stephan Debeur, Orgel

1 CD   -   DDD   -   Spielzeit: 75' 40
Booklet: deutsch / französisch / englisch   -   36 Seiten   -   13 Abbildungen
€ 18,90

 

Âuf seiner zweiten Aufnahme (2005) vereint Debeur unter dem Titel „Concert“ typische Assoziationsformen rund um den Konzertbegriff. Wie vielfältig dieser ist, wird mit der Programmzusammenstellung deutlich.

Dazu gehören genuin weltliche Concerti als klassische Gattungsvertreter von höfischen Konzerten und kammermusikalisch inspirierten Solokonzerten, die Sinfonia als instrumentales Vorspiel bzw. Vorläufer der konzertanten Symphonie, die klassische Symphonie für das bürgerliche Konzertleben und die Bearbeitungstradition fremder Werke für die Orgel (z.B. bei Bach), die seit dem 19. Jahrhundert besonders für die Orgeln und das Musikleben der englischen und amerikanischen Konzertsäle populär wurde. Und last but not least die Form des modernen Orgelkonzerts auf einer Kirchenorgel mit den Bach’schen Großwerken.

Die optischen Eindrücke der prächtigen Orgelanlage werden hier hörbar gemacht. Der grandiose und prunkvolle Tenor der CD verbirgt ein buntes Programm: anspruchsvoll und seriös einerseits, vergnüglich und ausgelassen andererseits. Bestaunen darf man die sichere Performance (Manualwechsel, Manualverteilung etc.), welche die orchestrale Behandlung der Orgel – und damit auch die Transkription der Haydn-Sinfonie – erst möglich machen. Verlassen konnte sich Debeur dabei auf die Unterstützung seiner Registrantinnen Simone Matzner-Seneschi und Andrea Wild, die praktisch lautlos agierten. Der Spieltisch ist vor diesem Hintergrund der zentrale Ort des Geschehens und daher auch auf dem CD-Cover in Szene gesetzt. Einen besonderen Effekt bekommt das Cover durch den schwarzen Hintergrund, der den Blick unweigerlich auf die Manuale, die Registerzüge aus Elfenbein und das kunstvolle Notenpult lenkt.

Zunächst trägt das prächtige Gewand die Königin von Saba in der einleitenden berühmten Sinfonia aus Händels Oratorium „Solomon“. Händels Orgelkonzerte fungierten als Zwischennummern während seiner Oratorien. So spielte Händel erstmals selbst ein Orgelkonzert, nämlich das hier eingespielte in F-Dur (HWV 293), in einer Oratorium-Aufführung. Diese Orgelkonzerte eignen sich hervorragend für eine solistische Aufführung auf der Orgel, weshalb es entsprechend viele Bearbeitungen gibt. Debeur hat für diese Aufnahme eine Fassung von Marcel Dupré gewählt. Im ersten Satz ist in den Solopartien das Kronpositiv zu hören. Nahezu magisch trifft Debeur den Ton des „Alla Siciliana“. Schmerzlich-süß schwebt die cantable und lieblich verzierte Interpretation mit den Klängen der Vox humana 8‘ im Brüstungspositiv durch den Raum. Im „Allegro“ und „Presto“ erfüllt es die Funktion der konzertierenden Orgel, während das Hauptwerk mit Pedal das Orchester stellt.

Auch die regionale Komponente ist durch den in Biberach wirkenden Komponisten Knecht vertreten. Das einsätzige „Kleine Flötenkonzert“ vertritt den kammermusikalisch beeinflussten Typus des Orgel-Solokonzerts. Ein solistisches Flötenregister wird von der leisen Coppel 8‘ des Oberwerks begleitet.

Seriös und elitär ist das Gesamtkonzept, das auf sämtliche „Spielereien“ der Orgel verzichtet. Doch nur auf derartiges zu verzichten bedeutet nicht, dass der Humor zu kurz kommt. Das beweist Debeur mit der Weltersteinspielung von Haydns Sinfonie „La Chasse“. Gerne gibt man dem Gedanken nach, es handele sich hier um eine genuine Orgelkomposition, denn die einfallsreichen Registrierungen und die spieltechnische Umsetzung des Werks sind eine Garant für diese Überzeugungskraft. Als Vorlage diente eine in London publizierte Transkription für Cembalo, Orgel oder Piano-Forte, die Debeur grundlegend überarbeitet und vervollständigt hat. Abwechslungsreich und in den verschiedenen Werken, mit und ohne Zungen, werden verschiedene Plenumsregistrierungen der einzelnen Werke und Klangkombinationen in Szene gesetzt. Der ausgesuchte Einsatz der Zungen verleiht dem „Minuetto“, aber besonders dem Finalsatz ein französisch inspiriertes Timbre.

Schließlich fällt die Klanggewalt auf einen weichen und sehr vertrauten Ruhepunkt zurück. Eines der bekanntesten Orchesterwerke Bachs, die „Air“ der 3. Orchestersuite als Orgelbearbeitung von Gordon Phillips, lässt den Hörer zur Ruhe kommen. Sie bereitet einen letztes Miteinanderstreiten in der Bach‘schen Orgelbearbeitung des Konzerts G-Dur (BWV 592) nach Johann Ernst von Sachsen Weimar vor. Einen Überraschungseffekt folgt unmittelbar vor dem Schlussstück, wenn der Hörer in die mystischen Klänge der Orgel abtauchen darf. Debeur präsentiert in seiner Orgelbearbeitung der Sinfonia aus der Kantate „Ich steh mit einem Fuß im Grabe“ die Vox humana gerahmt von den getupften Harmonien der Begleitstimmen. Zunächst in hoher Lage, entfaltet sie in der Tiefe ihre klagende Wirkung – die Zeit steht für einen Augenblick still.

Zu einem köstlichen Dinner gehört das Gleichgewicht von herzhaften und süßen Gerichten. Debeur erweist sich hier als musikalischer Chef de Cuisine, denn er setzt dem größtenteils süßen und freudigen Charakter der Aufnahme den musikalisch ausgleichenden Kontrapunkt des Schlussstücks entgegen: Bachs Passacaglia und Fuge BWV 582. Hier nutzt Debeur die gesamte Bandbreite der Gabler-Orgel gebündelt aus, vom Tutti über den im Nichts verschwimmenden Flötenton, bis zum Einsatz der 49fachen Pedalmixtur „La force“ auf dem finalen C der Fuge.

Die Klangqualität der Aufnahme ist auch bei dieser CD klar und zeichnend. Diese Eindruck wird besonders bei entsprechenden Wiedergabegeräten und Lautsprechern der gehoben Preisklasse hörbar. Die Informationen zur Orgel und dessen Erbauer stammen wie schon bei der ersten Aufnahme von Dr. Friedrich Jakob. Die sehr umfangreiche Werkeinführung lieferte CD-Produzent Günter Lade selbst. Der Schwerpunkt aus Barock und Klassik liefert hier eine Aufnahme mit absolutem Seltenheitswert. Das gilt für das Repertoire und das Instrument, aber besonders für beides zusammen.

© Jörg Marko Heese (2015)

 


P r o g r a m m

 

1
Georg Friedrich Händel (1685-1759)

Sinfonia (Allegro vivace) aus dem Oratorium »Salomon«, HWV 67

4' 10

2-5
Georg Friedrich Händel (1685-1759)

Orgelkonzert F-Dur, op. 4/5, HWV 293
Larghetto - Allegro - Alla siciliana - Presto

10' 09
6
Justin Heinrich Knecht (1752-1817)

Kleines Flötenkonzert F-Dur für Geübtere (Allegro)

5' 25
7-10
Joseph Haydn (1732-1809)

Symphonie Nr. 73 D-Dur »La Chasse«    -   Welt-Ersteinspielung für Orgel
Adagio-Allegro - Andante - Menuetto e Trio: Allegretto - La Chasse: Presto

25' 04
11
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Air aus der Orchestersuite D-Dur, BWV 1068

4' 27
12-14
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Konzert G-Dur nach Johann Ernst von Sachsen-Weimar, BWV 592
[ohne Satzbezeichnung] - Grave - Presto

8' 04
15
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Sinfonia (Adagio) aus der Kantate »Ich steh mit einem Fuß im Grabe«, BWV 156
[Orgeltranskription: Stephan Debeur]
    -   Welt-Ersteinspielung
2' 19

16-17
Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Passacaglia und Fuge c-Moll, BWV 582

14' 12

 

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