Die historische Gabler-Orgel (1750) der Basilika Weingarten

 

Die große Barockorgel in der Basilika Weingarten ist das bedeutendste Werk des schwäbischen Orgelbauers Joseph Gabler, der 1700 in Ochsenhausen geboren wurde und 1771 in Bregenz starb. Gabler erlernte zunächst das Handwerk eines Schreiners. Allein in diesem Metier brachte er es zu einer Meisterschaft ohnegleichen, wovon unter anderem der prachtvolle Spieltisch der Weingartner Orgel bis heute Zeugnis gibt. Seine damals für Handwerker übliche Wanderschaft führte ihn nach Mainz, wo er bei dem Schreinermeister Anton Ziegenhorn Arbeit fand. Der Schwager Ziegenhorns, Johann Peter Geißel, betrieb in der Nähe eine Orgelbauwerkstätte und so liegt die Vermutung nahe, daß Gabler seine orgelbaulichen Kenntnisse bei diesem und weiteren Mainzer Meistern erwarb. Im Jahre 1729 kehrte er jedenfalls in seine Heimat zurück und erbaute bis 1733 die Orgel der Klosterkirche in Ochsenhausen.

Sein Hauptwerk in Weingarten entstand in den Jahren 1737 bis 1750, in welchem Zeitraum er auch mit dem Bau einer Chororgel beschäftigt war. Die Arbeiten verliefen nicht reibungslos: Wegen eines Brandes war die Klosterschreinerei mit Reparaturarbeiten so ausgelastet, daß die Anfertigung des Orgelgehäuses nur schleppend vorankam; auch gab es zwischendurch Querelen mit dem Auftraggeber, der wiederum Gabler Trödelei vorwarf! Als dann jedoch am 24. Juni 1750 das Instrument eingeweiht wurde, stand in der Klosterkirche eine Orgel, die in vieler Hinsicht einzigartig war und einzigartig geblieben ist. Größte Bewunderung ruft bis heute vor allem der Prospekt des Instruments hervor. Wie Gabler die einzelnen Werke um die sechs Westfenster gruppierte, ist eine unübertroffene Leistung der Orgelarchitektur. Die Bewältigung der mit dieser Konzeption verbundenen technischen Probleme ist eine weitere Meisterleistung des genialen Orgelbauers. Man betrachte die Gesamtanlage und stelle sich die Trakturführungen vom freistehenden Spieltisch zu den einzelnen Teilwerken der Orgel vor, wobei allerdings erwähnt werden muß, daß Gabler mit der Bespielung des am Dachgewölbe aufgehängten Kronpositivs technisch doch an die Grenzen seiner Kunst gelangte. Daß dieses Werk überhaupt (wenn auch mit Windproblemen) erklingt, ist nahezu als ein technisches Wunder zu bezeichnen.

Klanglich ging Gabler eigene und für seine Zeit sehr fortschrittliche Wege. In seiner Disposition erkennt man noch den klassischen Werkaufbau, die vielen Flöten- und Streicherstimmen der 8' und 4' Lage deuten jedoch bereits einen Umbruch der Orgelästhetik an. Gabler mensurierte sehr eng und führte dafür, um Klang zu gewinnen, nicht wenige Register mehrfach besetzt aus. Manche Kritiker meinen, die Orgel sei für den großen Kirchenraum nicht laut genug. Andere Hörer empfinden aber gerade dieses vermeintliche Manko als Qualität und verweisen auf den edlen Klang des Plenums.

Die Gabler-Orgel der Basilika Weingarten ist weitgehend original erhalten geblieben. Dieser Umstand ist nicht zuletzt ein Indiz für die handwerkliche Qualität des Instruments. Im Zuge einer grundlegenden Restaurierung des Werks (1980 bis 1983) durch die Firma Kuhn, Männedorf, wurde die Orgel weitestmöglich in ihren Originalzustand zurückversetzt. Dabei konnte auch die ursprüngliche Gabler'sche ungleichschwebende Temperatur wiedergewonnen werden. So präsentiert sich die Gabler-Orgel heute nicht nur als bedeutendstes historisches Instrument Süddeutschlands, sie ist weit darüber hinaus einer der kostbarsten Orgelschätze, die wir überhaupt besitzen.

»Wo sonst begegnet dem Hörer eine Orgel, deren majestätisches Plenum ohne Aggressivität und Schärfe ist, wo sonst ein so milder, vornehmer Principalchor, wo so geheimnisvoll im Raum verschwebende Flöten- und Streicherklänge, die geradezu durch ihre klangliche Distanz immer aufs neue zu fesseln und zu bezaubern vermögen?« (Heinrich Hamm)

© Günther Fetz (gekürzte Fassung des Booklet-Textes)

 

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