Edition Lade   -   EL CD 052


Süddeutsche Orgelmusik an der Gabler-Orgel Weingarten

 

EL CD 052 - Gabler-Orgel Weingarten

Stephan Debeur

Die Orgel

 

 

 

  

 

Stephan Debeur, Orgel

1 CD   -   DDD   -   Spielzeit: 75' 31
Booklet: deutsch / französisch / englisch   -   36 Seiten   -   18 Abbildungen
€ 18,90

 

Auf der neuen CD stellt Stephan Debeur den Klangreichtum der weltberühmten Weingartner Gabler-Orgel mit ausgesuchten Werken süddeutscher Meister vor. Im Booklet-Text berichtet er ausführlich über das Leben der Komponisten, über die eingespielten Werke sowie über die von ihm für das Spiel auf dem historischen Instrument gewählten Registrierungen, die auch die beim Publikum beliebten Spielregister wie Kuckucksruf, Vogelgezwitscher, Tympan und die beiden Glockenspiele stilvoll miteinschließen.

 

Jörg Marko Heese über die neue, dritte Einspielung der weltberühmten Gabler-Orgel durch Stephan Debeur:

"Nach derartig weltläufiger Literatur der ersten beiden Aufnahmen EL CD 042 und EL CD 044 entschied sich Stephan Debeur in der vorerst letzten Aufnahme für einen gewagten aber letztlich absolut konsequenten Schritt: Orgelmusik aus dem geographischen und zeitlichen Umfeld der Orgel und Basilika in Weingarten, mit bekannten Namen aus der ersten Aufnahme. Dennoch gewagt, da die Meinung kursiert, dass unbekannte Werke, von denen nicht bereits verschiedene Aufnahmen existieren, per se nicht so interessant sein können und weil man mit Unbekanntem stets das Risiko einkauft, es könnte nicht gefallen. Doch zuweilen wird man eines Besseren belehrt, wenn man sich auf das Experiment einlässt – so auch in diesem Fall.

Bereits das Cover deutet den Inhalt der Aufnahme an: nur ein kleiner Ausschnitt aus einem großen Fundus, der aber keine Wünsche offen lässt und in dem es viele schöne Details zu entdecken gilt. Man erkennt die großen Basspfeifen, die warme, rötliche Holzmarmorierung des Prospekts, die detailverliebten und verspielten goldenen Schleierbretter und Verzierungen sowie die darin sitzenden musizierenden Putten. Der Blick dahinter erfolgt optisch beim Öffnen des Booklets mit den Fotos der Weingartner Spielregister und akustisch beim Entdecken ihres vielfältigen Einsatzes in den Stücken.

Mit den Spielregistern ist es so eine Sache. Wenn man sie hat, will man sie auch nutzen. Dabei muss bei solchen Besonderheiten ein sparsamer Umgang beachtet werden. Schon Sigfrid Karg-Elert warnte bei einem zu häufigen Gebrauch exquisiter Klangfarben bei der Orgel vor einer „Monotonie der Reize“. Genau dies zu vermeiden ist Stephan Debeur durch den maßvollen Umgang in dieser Aufnahme gelungen. Im Rahmen der ausgewählten Literatur bot sich ein entsprechender Gebrauch an. Wer sich einen umfassenden Eindruck der Spielregister verschaffen will hat hier die Gelegenheit – auch sich inspirieren zu lassen. Dabei ist es kein exzessives Ausnutzen, sondern ein gezieltes Einsetzen in einem nicht vorhersehbaren, vergänglichen Moment, der dem aufmerksamen Hörer stets ein Lächeln entlocken wird.

Im prunkvollen Plenum umrahmen ein gravitätisch-akkordischer Beginn und Schluss die sechs kleinen Fugen in Fischers „Praeludium septimum“, ein dem süddeutschen Stil verpflichtetes Werk, das die Aufnahme eröffnet. Debeur nutzt die spezifische Idiomatik, um verschiedene Register vorzustellen. So im vierten Fugenabschnitt, den er in zarter 2‘-Lage registriert und zu deren Idiomatik sich das Gezwitscher der „Rossignol“ gesellt. Ein kleiner Weckruf des Kuckucks leitet in die dynamisch und rhythmisch gesteigerten letzten beiden Fugato-Abschnitte.

Diesem anfänglichen Paukenschlag stellt Debeur drei Stücke von Gottlieb Muffat gegenüber, dessen Vater Georg den heute noch sehr bekannten "Apparatus musico-organisticus" schuf. Die ausgesuchten Werke im gelehrten Kontrapunkt entstammen seiner Sammlung "32 Ricercare und 19 Canzonen" (1733) und sind Zeugnis des zeittypischen Stils des gelehrten Kontrapunkts. An Frescobaldi erinnert das „Ricercata XXVI“ im stile antico. Locker bewegt kontrastieren die zwei sehr unterschiedlichen Canzonen, mit denen Debeur die enge Verbindung zwischen Satzfaktur und Registrierung demonstriert, sei es durch die lichte Rohrflaut 4‘ („Canzona XVII“) oder durch das Kombinieren von Hauptwerk und Brüstungspositiv in der „Canzona XI“.

Joseph Lederer ist ein Vertreter der oberschwäbisch-bayrischen Klostermusiker, dessen Stücke durch ihre heitere Leichtigkeit, vergleichbar seinem Münchener Kollegen Theodor Grünberger (s.u.), mit harmonischen und eingängigen Einfällen die Aufmerksamkeit des Hörers gewinnen. Die Wiederholungen von Bestandteilen innerhalb der Stücke können durch das umfangreiche aber so effektvolle Echowerk der Gabler-Orgel vielfältig dargestellt werden. Und nicht nur das. Wo ein Kuckuck in den Noten verborgen scheint, lässt Debeur ihn dann auch mit dem Cuculus tatsächlich aus der Orgel fliegen. Und als in der beschwingten „Polonaise“ dann auch die Pauke geschlagen wird und das silberne Manualglockenspiel erklingt ist die Überraschung gänzlich gelungen.

Die Zusammenstellung der Stücke von Christian Erbach nutzt Debeur für einen kleinen „Stimmungslehrgang“ und eine Präsentation der Prinzipalregister. Das betrifft sowohl die Vorstellung der unterschiedlichen Prinzipalmensuren des I. und II. Manuals, den Effekt der ungleich schwebenden Stimmung der Gabler-Orgel in entsprechenden Akkorden, verschiedenen Prinzipalregistrierungen bis zum Mixturplenum und die Anwendung eines weiteren Echo-Effekts. Die Werkeinführung gibt detaillierten Aufschluss zu den Stücken.

Einen ganz besonderen Charme haben die Messen von Theodor Grünberger. Unkonventionell, überraschend und erheiternd. Zeitgleich erfordern sie eine intensive interpretatorische Leistung des Organisten. Die Messen in Gänze sind schemenhaft und technisch überschaubar. Gleichzeitig bieten sie Raum für den Interpreten, der mit Leben erfüllt werden muss. Debeur weiß es, diesen Raum zu nutzen, indem er mit Echowirkungen und dem Einsatz der Spielregister ideal umgeht. Überraschend wie die Musik ist auch der Spielregistereinsatz, dabei wirken sie stets genau richtig platziert – obwohl Grünberger nichts von Ihrer Verwendung im Notentext vermerkt hat. Sie passen sich dem Charakter der Einzelstücke durch geschickte Auswahl an - und wer sich während dem Hören bei dem Gedanken an Mozart ertappt, der hat seine Freude an dieser Musik.

Einen mystischen Akzent setzt Eberlins „Toccata sexta“, deren harmonisches Geflecht wie ein unendliches, sanftes Rauschen des Meeres in der Unda maris durch die Basilika klingt. Sie ist die Vorbereitung des fulminanten Finales mit der „Fantasie F-dur“ des Biberacher Komponisten Justin Heinrich Knecht als würdige Gegenpart zum gravitätischen Anfangsstück.

Dank der Erfahrungen des Kirchenmusikers und CD-Produzenten Günter Lade vermittelt die CD erneut einen äußerst klares und deutliches Bild der Gabler-Orgel und lässt ihre Stärke – und das sind ihre leisen Töne – auch auf einer Aufnahme deutlich nachempfinden. Die hervorragende Aufnahmequalität vermittelt einen genussvollen Klangeindruck, wie er nur von den oberen Plätzen in der Basilika wahrgenommen werden kann, sei es als Zuhörer oder gar als Organist. Die detaillierte Werkeinführung stammt von Stephan Debeur, der neben der ausführlichen Quellenkenntnis, Eigenedition der Notentexte und langjährigen Erfahrung an der Gabler-Orgel das Optimum aus Musik und Instrument herauszuholen vermag. Die Literaturauswahl verleiht der CD einen sehr konzertanten Charakter, der gänzlich ohne Choralbezüge auskommt, was aber genau dadurch für ein geschlossenes Gesamtkonzept sorgt. Die Tonsprache der unmittelbaren Dekaden nach Bach ist auf der Orgel durch die musikhistorische Veränderung und romantische Betrachtung heute wenig bekannt bzw. Werke der Zeit wurden gar als nahezu unbedeutend deklariert. Spätestens nach dem Verklingen der letzten Akkorde dieser Aufnahme wird man seine Meinung ändern müssen. Es ist ein Verdienst Debeurs diese Musik auf einem so vielfältigen Instrument dieser Zeit wieder einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Eine Aufnahme nicht nur für Kenner und Liebhaber.


Schlusswort über alle Aufnahmen

Drei Aufnahmen – unabhängig vom Einzelcharakter – erinnern schon durch den Titel der zweiten CD stark an ein typisch barockes, dreisätziges Concerto. Doch würde man der Gabler-Orgel Unrecht tun, sie ausschließlich in dieser Zeit zu verorten. Was ist kennzeichnend für die Zeit nach 1750? Es ist der Entwicklungszeitraum der Symphonie, womit im Allgemeinen die Viersätzigkeit in den Vordergrund tritt. Klang der Gabler-Orgel und der Geist der Symphonie lassen nur einen Schluss zu: der Weg zu einer vierten CD! Was die Liebhaber und Interessenten erwarten dürfen bleibt offen. Schließlich sind wir im Orgelgenre unterwegs und Symphonien auf diesem Instrument kennen keine Beschränkung auf Viersätzigkeit."

© Jörg Marko Heese (2015)

 

 


P r o g r a m m

 

Johann Caspar Ferdinand Fischer (ca.1670-1746)
01   Praeludium septimum
       Alla breve - Fuga prima - Fuga seconda - Fuga tertia -
      Fuga quarta - Fuga quinta - Fuga sexta - Finale

Gottlieb Muffat (1690-1770)
02   Ricercata XXVI in d
03   Canzona XVII in A
04   Canzona XI in e-a

Joseph Lederer (1733-1796)
05    Sonate I
        Adagio - Allegro moderato
06    Rondeau C-Dur
07    Sonate II
        Adagio - Andante - Polonaise

Christian Erbach (1570-1635)
08   Introitus secundi toni
09   Canzona secundi toni
10   Fantasia sexti toni
11   Ricercar primi toni
12   Ricercar quarti toni alla cromatica
13   Canzona

Johann Ernst Eberlin (1702-1762)
14  Toccata sexta

Theodor Grünberger (1756-1820)
       Orgelmesse Nr. 3 F-Dur
15   Zum Kyrie. Praeludium: Grave
16   Nach der Epistel. Fuga: Moderato
17   Unter dem Offertorium: Adagio non tanto - Allegretto
18   Zum Sanctus. Praeludium: Fugando -
19   Unter der Wandlung: Andante e pi
ù assai -
20   Nach dem Ite Missa est. Postludium minore: Allegro non tanto

Justin Heinrich Knecht (1752-1817)
21   Fantasia F-Dur (Maestoso)


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